Es ist üblich, Tiere nach ihren Nahrungsgewohnheiten in Gruppen einzuteilen. So gibt es Fleischfresser, Pflanzenfresser, Allesfresser, Insektenfresser und vieles mehr. Dazwischen gibt es noch einige Nuancen. Es ist also nicht verwunderlich, dass bei manchen Tieren nicht ganz klar ist, wozu sie gehören. Beim Hund gibt es schon lange die vor allem in Foren immer wieder aufkeimende Diskussion, was er denn nun ist: Ist der Hund ein Fleischfresser, ein Karnivore? Oder doch eher ein Allesfresser, ein Omnivore?
Was sind Karnivoren, was sind Omnivoren?
Karnivoren sind Fleischfresser. Die Bezeichnung setzt sich aus zwei lateinischen Worten zusammen: dem Substantiv „carnis“, zu deutsch Fleisch, und dem Verb „vorare“, zu deutsch verschlingen. Das Wort meint also erstmal nicht mehr, dass sich diese Tiere (vorwiegend oder ausschließlich) von Fleisch ernähren. Es ist in ihrer Ernährung unerlässlich. Nehmen sie kein Fleisch zu sich, stellen sich Mangelerscheinungen ein.
Omnivoren sind Allesfresser. Die Bezeichnung setzt sich aus zwei lateinischen Worten zusammen: „omnis“, zu deutsch alles, und „vorare“, verschlingen. Omnivoren fressen sowohl Tiere als auch Pflanzen. Eine artgerechte, ausgewogene Ernährung für Allesfresser setzt sich also nicht ausschließlich aus Fleisch oder Pflanzen zusammen.
Welchen Einfluss hat die Domestikation?
Der größte Streitpunkt in dieser Frage ist wohl die Abstammung des Hundes und seine Domestikation. Denn dieses Argument wird von beiden Seiten genutzt. Die einen sagen, da der beste Freund des Menschen vom Wolf abstammt – einem unumstrittenen Fleischfresser –, ist der Hund ebenfalls ein Fleischfresser. Andere sagen, der Hund habe sich im Laufe der Jahrhunderte an den Menschen angepasst, da er sich über so lange Zeit von dessen Essensresten ernährt habe. Die Zeit mit dem Menschen habe ihn dadurch zum Allesfresser gemacht.
Doch schon bei der Frage, was Wölfe in freier Natur fressen, scheiden sich die Geister. Denn anders als beispielsweise Wildkatzen, nehmen Wölfe auch den Mageninhalt ihrer Beutetiere zu sich, fressen Wurzeln und Früchte, wenn sie welche finden. Pflanzliche Bestandteile haben also durchaus Platz in der Ernährung eines Wolfes. Ähnlich sieht es auch beim Hund aus: Ein Drittel der Futterration beim Barfen sollten Obst und Gemüse ausmachen. Bei Katzen – bis heute reine Fleischfresser – sind es weniger als fünf Prozent. Es stellt sich also die Frage: Wie viel pflanzlicher Anteil in der Nahrung macht aus einem Karnivoren einen Omnivoren? Oder kann man es gar nicht daran festmachen?
Die Verdauung als Anhaltspunkt
Aufschluss kann vielleicht der Aufbau des Verdauungstraktes geben. Denn dieser zeigt ganz deutlich, was ein Tier verdauen kann und was nicht. Und der Verdauungstrakt des Hundes weist auf einen Fleischfresser hin. Das beginnt schon bei den Zähnen, die spitz und zum Reißen optimiert sind. Mahlflächen, die Körner oder Gemüse mahlen könnten, hat der Hund nicht. Auch kann sein Kiefer keine typische Mahlbewegung ausführen. Das Gebiss des Hundes ist dazu gemacht, größere Fleischbrocken abzureißen und weitestgehend unzerkaut zu verschlucken. Der Magen ist ein großer Hohlraum mit flüssigkeitsabsondernden Drüsen. Es fehlen Gärkammern an Dünn- und Dickdarm, wie sie Herbivoren (Pflanzenfresser) und Omnivoren aufweisen. Der Blinddarm ist nur sehr klein und auch Dick- und Dünndarm sind verhältnismäßig kurz. Das weist auf einen Fleischfresser oder zumindest überwiegend fleischliche Ernährung hin. Denn je mehr pflanzliche Bestandteile ein Tier frisst, desto länger muss der Verdauungstrakt sein, damit diese verdaut werden können.
Ein wenig schwieriger wird es bei den Verdauungsenzymen. Der Speichel des Hundes hat zwar weitestgehend schmierende Wirkung, um das Schlucken zu erleichtern. Aber er weist auch in geringer Konzentration ein Enzym auf: alpha-Amylase. Sie ermöglicht das Aufspalten von Kohlenhydraten. In gewissen Maß wird sie in der Bauchspeicheldrüse jedes Tieres produziert und dann in das Verdauungssystem eingeleitet. Doch im Speichel kommt sie bei Fleischfressern eigentlich nicht vor. Außerdem produziert der Hund noch weitere Verdauungsenzyme, die in seinen Darm eingeleitet werden, die neben ihm nur wenige andere Fleischfresser produzieren. Diese Enzyme sind eher bei Allesfressern zu finden.
Ist der Hund nun ein Fleisch- oder ein Allesfresser?
Endgültig beantworten kann ich diese Frage wohl nicht. Selbst in wissenschaftlichen Texten habe ich unterschiedliche Einteilungen gesehen. Persönlich halte ich es jedoch für gefährlich, den Hund als Allesfresser zu bezeichnen. Denn das dient oft als Rechtfertigung für eine vegetarische oder vegane Ernährung, die leider meist zu Mangelerscheinungen führt. Die Futtermittelindustrie tut ihr Übriges, indem sie vegetarisches oder gar veganes Hundefutter anbietet. Das führt leider bei vielen Menschen zu dem Glauben, dass es, wenn es verkauft wird, ja nicht schädlich sein kann. In schwächerer Ausprägung ist dieser Einfluss auch bei Futtersorten mit hohem Getreideanteil spürbar. Wenn 30 oder 50 Prozent Getreide im Futter verkauft werden, kann es ja nicht schädlich sein. Es ist eines der am häufigsten zu hörenden oder zu lesenden Argumente für die Annahme, Hunde seien Allesfresser: Das Angebot am Markt beweise es.
Dabei sollte dieser kleine Ausflug in die Welt von Fleisch- und Allesfressern, wenn er schon keine eindeutige Antwort geliefert hat, doch wenigstens eins beweisen: Der Hund ist wenn überhaupt ein Grenzfall. Ich bevorzuge daher einen Begriff, den ich in einer Studie gelesen habe: fakultativer Karnivore. Diese Bezeichnung soll ausdrücken, dass Hunde eine gewisse Wahl haben. Ihr Verdauungssystem erlaubt ihnen bis zu einem gewissen Maß, pflanzliche Nahrungsmittel zu verdauen. Somit können sie längere Zeit ohne Beute beispielsweise mit dem Fressen von Früchten überbrücken. Doch das Beutetier verschmähen sie deswegen noch lange nicht. Auch kommen sie deswegen nicht ein Leben lang ohne aus. Fleisch, Innereien und Knochen gehören einfach ebenso zu einer gesunden, artgerechten und ausgewogenen Ernährung des Hundes, wie es die etwa 30 Prozent Obst und Gemüse tun.